Europe Online - Winter 1996

Einfach nur Milla, bitte

by Colin Cushing


Sie ist gerade zwanzig, aber wenn Milla sich heute aus dem Showbusiness zurückziehen würde, hätte sie bereits mehr mit ihrem Leben getan als die meisten Leute, die dreimal so alt sind. Je länger man mit ihr zu tun hat, desto mehr fragt man sich, welche Karrieren sie noch einschlagen wird, nachdem sie sich schon als internationales Supermodel, als Schauspielerin und talentierte Sängerin durchgesetzt hat.


Milla als Model mit viel Bein!
Foto: Pandis
Milla wird als Milla Jovovich (sie hat ihren Nachnamen mittlerweile aufgegeben) am 17. Dezember 1975 in Kiew in der Ukraine geboren. Milla und ihre Eltern ziehen nach Sacramento, als sie fünf Jahre alt ist, und sieben Monate später weiter nach L.A. Für eine Immigrantin aus der Sowjetunion ist es nicht leicht, mitten im Kalten Krieg in den USA aufzuwachsen. „In der Schule bekam ich eine Menge Scheiße ab“, erinnert sie sich. „Die anderen Kinder machten sich über meinen Namen und meinen Background lustig. Sie drehten durch, weil ich keine Amerikanerin war. Sie nannten mich Commie und Russenspion. Ich wurde von ihnen nie, nie akzeptiert. Also lernte ich, für mich zu sein und die Zeit zu genießen, die ich in meiner eigenen Welt verbrachte.“

Mit elf Jahren fängt Milla an, als Model zu arbeiten, und ziert innerhalb von zwei Jahren weltweit viele Magazintitelblätter. Nach ein paar Jahren als Model wendet sie sich der Schauspielerei zu.
Jung und unbekleidet: Blaue Lagune II
Foto: Bildarchiv Engelmeier

Sie debütiert mit einer kleinen Rolle in Two Moon Junction und tritt in dem TV-Spielfilm The Night Train to Kathmandu auf. Die größte Publicity bekommt sie für die Hauptrolle in dem Film Return to the Blue Lagoon, der wie The Blue Lagoon zu Kontroversen wegen der Nacktszenen mit einer so jungen Darstellerin führt. Sie bekommt Rollen in Kuffs und Chaplin, verbessert ihre Fähigkeiten als Schauspielerin und gewinnt ein Publikum, das mehr von ihr sehen will. Sowohl Milla als auch ihre Fans sind von der Mini-Rolle („Einmal blinzeln und Du hast sie verpaßt“) in Dazed and Confused enttäuscht, vor allem, da man ihren Namen und ihr Gesicht freizügig benutzt, um für den Film zu werben.


Milla hat auch schon mit Christian Slater gespielt: In Kuffs
Foto: Bildarchiv Engelmeier
Das einzige an ihrer Rolle in Dazed and Confused, was das wieder wettmachen kann, ist die Szene, wo sie akustische Gitarre spielt und eine Zeile aus The Alien Song (for those who listen) singt, einem Song aus ihrem Album The Divine Comedy, das vor fast zwei Jahren veröffentlicht wurde. Die Platte erhält begeisterte Kritiken, aber Milla verlangt, daß die Promotion auf ein Minimum beschränkt wird.








„Ich möchte es im Moment auf einer niedrigen Ebene halten. Egal was mit diesem Album passiert, ich halte es für großartig und glaube, daß schon jetzt mehr damit passiert ist, als ich erwartet habe; alles danach ist wie eine Kirsche auf der Sahne. Ich will es langsam angehen lassen und den Leuten nicht Millas neues Album vor den Bug knallen, sondern sie das Ganze langsam selbst entdecken lassen.“
Als Resultat dieser Haltung ist The Divine Comedy eines der am besten gehüteten Geheimnisse der Neunziger. Millas starke, emotionale Stimme wird begleitet von ausdrucksstarken Melodien, die von einem ungewöhnlichen Instrumentarium geschaffen werden, zu dem Instrumente wie Mandoline, Querflöte, Gitarre und Dulcimer gehören.

Die Texte, die sie im Alter von gerade 15 Jahren geschrieben hat, sind überraschend reif und einsichtig. Die Themen reichen von Leid und verlorener Liebe in Gentleman Who Fell und You Did It All Before bis zu einem imaginären Besuch von Außerirdischen in The Alien Song (for those who listen). Der letzte Track des Albums, In A Glade, ist ein traditioneller ukrainischer Folksong, den Milla in ihrer Muttersprache singt; die Kombination der wunderbaren Sprache mit Millas empfindsamer Stimme ist für jeden Hörer etwas Besonderes und hat sich überraschend zu einem Lieblingsstück der Fans entwickelt.


Da bleibt einem der Mund trocken.
Foto: Pandis
In der ersten Hälfte des Jahres 94 ist Milla im Vorprogramm von Gruppen wie Toad The Wet Sprocket und Crash test Dummies durch die USA getourt. Im letzten Jahr hat sie sich gleichzeitig um alle drei Karrieren gekümmert. Sie ist international als Model für Designer wie Liza Bruce, Todd Oldham, Marc Jacobs und Miu-Miu aufgetreten. Sie ist außerdem in der Fernseh- und Magazinwerbung von Calvin Klein, The Gap und anderen zu sehen. Sie hat mit ihrer Band an ihrer Musik und den Songs gearbeitet, die im Sommer auf ihrem zweiten Album erscheinen werden. Im Moment dreht sie neben Bruce Willis in London mit Luc Bresson den Film Le Cinquième Elément.


Ausriß aus ID


Foto: EMI
Millas zweites Album wird bald für Aufmerksamkeit sorgen, auch wenn es wahrscheinlich eine Reihe von Leuten geben wird, die die musikalischen Fähigkeiten eines Models in Frage stellen. Vielleicht sollten sie sich beim Anhören der Platte ein Beispiel an Millas Einstellung zum Leben nehmen, die sich als Erfolgsrezept erwiesen hat:

„Mache Dich nicht von den Definitionen abhängig, die man Dir bereits gegeben hat. Habe keine Angst, Deine Wahrnehmung zu ändern.“